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Ist Dark Art unheimlich oder geheimnisvoll oder unheimlich geheimnisvoll? Kann man diese beiden Begriffe überhaupt voneinander trennen? Ist Dark Art ein eigenständiges Kunstgenre oder nur eine emotionale Stimmungsschwankung, die in jede Kategorie passen könnte?
Die Frage der Headline kann man m. E. nach nicht so ganz einfach beantworten, ohne sich vorher Gedanken über Begrifflichkeiten wie Kunst bzw. Dunkle Kunst gemacht zu haben. Ich möchte in dieser kleinen Kolumne gern einmal meine Auffassung darlegen, was uns daran fasziniert und warum wir diese Art von Kunst überhaupt schaffen.
Seit diesem Jahr bin ich ehrenamtlich für das Musik-Webzine „Dark Art“ in der Rubrik „Kunst und Fotografie“ tätig und suche nach interessanten Künstlern. Natürlich ist die Auswahl – wie Kunst an sich auch – subjektiv und individuell.
Und da sind wir schon im Thema. Über den Kunstbegriff streiten sich die Gelehrten. Es gab schon riesige Debatten und auch ich als „freischaffende Künstlerin“ hatte mich einmal in einem Beitrag an dieses große Thema gewagt. Auch habe ich mich getraut, Beuys zu zitieren, mit seinem Statement: “Jeder Mensch ist ein Künstler.“. Denn m. E. nach hat jeder Mensch die „schöpferische Kraft“, Dinge (inkl. sich selbst) zu verändern. Natürlich in abgestufter Form – der eine ist mehr, der andere weniger kreativ. Einfallsreichtum benötigt man nicht nur auf dem Gebiet der Gestaltung, sondern auch beispielsweise in der Mathematik, Physik oder Informatik. Und divergentes Denken oder die Fähigkeit Probleme zu lösen, Vorstellungskraft oder auch Intuition zu haben, kann man fördern. Sind also Kunst und Gestaltung das gleiche? Ich muss vielleicht dazuschreiben, dass ich keine „bildende Kunst“ studiert habe, sondern vielmehr „angewandte Kunst“ (gem. Wikipedia). Was ich unter Kunst verstehe, hab ich unter anderem auf meiner Website oder auf Social Media stehen – das kann jeder dort nachlesen. Vielleicht nur kurz soviel: Für mich ist Kunst frei, individuell, vielfältig, aber auch inspirierend und integrierend. Viele betrachten Kunst nur aus einer Perspektive. Allerdings gibt es so viele Kulturen auf dieser bunten Welt, die den selben Gedanken, aufgrund von Traditionen und Brauchtum und einer vielleicht völlig anderen Weltanschauung auch ganz anders interpretieren würden. Auch die Themen- oder Motivwahl wäre vielleicht eine andere. Was man aber sicherlich sagen kann, Kunst ist oft Sprachrohr und darf zum Nachdenken anregen. Eine Botschaft enthält jedes Werk, denn beispielsweise auch nur Farben können Emotionen auslösen und kommunizieren. Und natürlich hängt das wiederum stark von kulturellen und individuellen Erfahrungen ab. Allerdings muss es nicht zwangsläufig die Intension des Künstlers sein. Der Rezipient interpretiert „sein“ gekauftes Bild vielleicht völlig neu. Salvador Dalí wollte sicherlich nicht, dass seine Werke totinterpretiert werden und sicherlich hat die dargestellte Symbolik der eine oder andere völlig anders ausgelegt, als der Künstler selbst. Kunst darf Ambivalenzen auslösen. Auch gutes Kunsthandwerk möchte ich der bildenden Kunst zurechnen. Übergänge sind oft fließend. Manche sehen einen Unterschied zur funktionalen Ästhetik. Das Staatliche Bauhaus war eine Kunstschule von Walter Gropius. Die bildende Kunst oder die schöne Kunst ist eine Unterkategorie und wird von den darstellenden Künsten unterschieden. Mir geht es hier aber um den Sammelbegriff „Kunst“. Kunst ist Kommunikation. Der Kunstbegriff weitet sich, auch aufgrund neuer Medien, fortschreitend aus. Was sind also Künstler? Musiker, Sänger, Komponisten, Dichter, Schriftsteller, Schauspieler, Designer, Architekten, Fotografen, Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker, Illustratoren, Tätowierer oder Street Artists – um nur einige aufzuzählen – wären hier zu nennen. Bei allen spielen Fantasie und Kreativität eine große Rolle, natürlich gepaart mit handwerklichem Können. Und mit letzterem steht und fällt natürlich auch die subjektive Wahrnehmung von gut oder schlecht. Im Zeitalter von KI & Co. stellt sich hier natürlich die Frage: Wer ist der Künstler? Letzten Endes ist alles eine reine Geschmacksfrage und hat beispielsweise viel mit Stimmungen, persönlichem Empfinden und Erinnerungen zu tun. Der Kunstbegriff wird auch heute anders definiert als damals. Und auch heute ist man sich da nicht ganz einig. Wikipedia bezeichnet Kunst „im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit von Menschen, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist“ und weiter „Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses“. Dem kann ich nur zustimmen. Meines Erachtens nach hat Kunst ihren Zweck erfüllt, wenn sie den Menschen – egal ob auf visuellem oder akustischem Wege – erreicht und Emotionen auslöst, gleich welcher Art. Leider ist Kunst auch ein Investitionsobjekt geworden. Daher sieht der hart umkämpfte „Kunstmarkt“ das alles etwas eingeschränkter – und nicht nur dieser. Galeristen, Händler, Kritiker oder Künstler untereinander haben oft einen „einseitigen“ Kunstbegriff, der oft nur von Marktwert und Verkaufbarkeit abhängt. Intuitive oder auch gegenstandslose Malerei – die fälschlicher Weise als „abstrakt“ deklariert werden – sind en vogue. Ästhetik gilt als langweilig. Darunter leiden auch viele begabte Künstler. Sogenannte „Alte Schinken“ unbekannter Künstler landen oft auf dem Trödelmarkt oder gar im Container. Oft wird Kunsthandwerk süffisant belächelt. Kunstschaffende von Subkulturen, wie beispielsweise der „Dark Art-Sparte“, haben es schwer Akzeptanz zu finden. Es gibt zwar mittlerweile Galerien, die sich gezielt mit dieser Kunstform befassen, aber leider nur sehr sporadisch. Eine Galeristin meinte einmal, sie wolle keine Künstler, „die ihre schmerzliche Seele nach außen kehren“. Sicherlich verkaufen sich „positive“, poppige und „neutrale“ Gemälde besser, aber es gibt auch für Dark Art, Dystopian Art oder Art Noir eine immer größer werdende Fangemeinde. Der Status Quo spielt natürlich immer eine Rolle. Die politische Lage, das Zeitgeschehen aber auch die Erziehung und Aufgeschlossenheit des Menschen im Laufe der Generationen beeinflussen die Kaufbereitschaft von „düsterer“ Kunst. Leider fehlt oft das Verständnis. Das Schubladendenken existiert in den Köpfen der Menschen nach wie vor. Ob Metalheads oder Metal(l)er, Goths, Rocker, Emos, Waver, Punks oder welcher Subkultur auch zugehörig, man hat – meist bei älteren Generationen – das Gefühl, die „anderen“ halten einen immer noch für „Satanisten“, wie zu meiner Jugendzeit in der DDR die Staatssicherheit beispielsweise. Für die waren Gruftis aus der Metal-Szene hervorgegangen, welche den Satanskult verherrlichten. Zum Glück hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt.
Fazit zur Kunst: Kunstkäufe hängen vom Image des Künstlers ab. Gekauft wird oft nur nach Namen. Um als Künstler „bekannt“ zu werden, braucht man in der heutigen Zeit den richtigen Ort zur richtigen Zeit und eine riesen Portion Glück. Und da es Dark Art bzgl. der Akzeptanz in der Gesellschaft zur Zeit schwerer hat – von allem noch etwas mehr.
Nun nach einer relativ langen Einführung – man merkt, ich bin selbst Künstler, mir liegt die Thematik sehr am Herzen – zum Bereich Dark Art. Ich persönlich mag eigentlich keine Schubladen. Als Künstler muss man sich leider oft auf eine Richtung, einen Stil „festlegen“, um Akzeptanz der Galerien beispielsweise zu bekommen. Das finde ich sehr schade. Man probiert als kreativer Mensch gern verschiedene Medien aus. Es gibt auch Künstler, die nur eine „dunkle Phase“ in ihrer Schaffensperiode haben. Daraus schlussfolgernd handelt es sich bei Dark Art zunächst um einen Sammelbegriff aller Kunstformen mit einem düsteren, dunklen, verstörenden, beunruhigenden, makabren oder unheimlichen oder gruseligen Grundgestus. Da es keinen einheitlichen „Kunstbegriff“ gibt, ist es schwierig „dunkle Kunst“ zu definieren. Es ist, wie in der Welt der Musik auch, oft eine Frage der Emotionen, des Wesens und Temperamentes. Daher gibt es auch Künstler, die ausschließlich „dunkle Kunst“ schaffen. Ich möchte allerdings dafür später einen anderen Begriff ins Spiel bringen.
Unter „Dunkler Kunst“ verstand man im Mittelalter etwas anderes. Aberglaube war weit verbreitet. Magische, übernatürliche und okkulte Praktiken, die wider des christlichen Glaubens standen, wie etwa Wahrsagerei, Alchemie, Hexerei oder Schwarze Magie, gehörten zu den „Dunklen Künsten“. Ich möchte nicht tiefer in die Materie eindringen, da dies nur eine Kolumne wird, aber es war natürlich ein sehr sehr „dunkles“ Kapitel unserer Geschichte, wenn man an Hexenverbrennung und Verfolgung Andersdenkender in der frühen Neuzeit (um ca. das 15.-18. Jahrhundert) zurückblickt. Die Kirche soll hier aber nicht das Thema werden. Auf den Glauben oder Spiritualität möchte ich aber schon etwas eingehen. Seit Äonen bis heute sind Menschen von Mystik und Magie fasziniert. Auch die Frage nach dem Sinn des Lebens und des Todes spielte immer wieder eine Rolle.
Wir meinen, die Dark Art-Kunstbewegung – die viele durch Tattoos kennen - ist relativ neu, aber weit gefehlt. Die Dark Art wurde allerdings damals anders bezeichnet. Ich war im vergangenen Jahr in der beeindruckenden Ausstellung „Tod und Teufel – Faszination des Horrors“ in Düsseldorf. Diese hat einen super Einblick in dieses Thema gegeben – von Horrorfilmen, über Kleidung der „Goth-Szene“, Haute-Couture oder Metalcover-Illus bis hin zu makabren oder dystopischen (Kunst-)Objekten. Es waren außerdem Gemälde, Zeichnung, Stiche oder Radierungen der Kunst des Mittelalters, der Renaissance, der Romantik bis heute ausgestellt.
Künstler der „dunklen Kunst“ verwenden oft eine reiche Symbolik. Offensichtliche Symbole dieses Genres sind unter anderem Schädel oder Kreuze. Diese sind allerdings auch schon zum Teil der Popkultur geworden. Man sieht sie beispielsweise mit Strass besetzt auf pinkfarbenen Shirts. Der Schädel wird in diesem Fall nicht mehr unmittelbar mit dem Tod in Verbindung gebracht. Bei Dark Art geht es aber häufig genau darum, um Tod, Furchterregendes, Makabres, Bizarres, Morbides oder Übernatürliches, in Form von Monstern, Vampiren, Geistern, Friedhöfen und ähnlichem oder auch um surreale, schauerliche und fantastische Momente. So weit, so oberflächlich. Tiefer betrachtet, nehmen wir beispielsweise einmal die Memento Mori-Werke, auch bekannt unter dem Namen „Todeskunst“. Wie der Name schon sagt, geht es hierbei um die Unvermeidlichkeit des Todes und die damit verbundene Vergänglichkeit alles Irdischen. Memento Mori ist lateinisch für „Erinnere dich an deine Sterblichkeit“. Dieses Konzept stammt aus der antiken stoischen Philosophie – eine vernunftsorientierte Lehre. An mittelalterlicher Architektur, besonders an Grabdenkmälern zeichnet sich dieser Gedanke ab. Der Tod wird zum Bestandteil des Lebens. In Vanitasstillleben des Barock (zum Teil auch späten Renaissance) wurde die Vergänglichkeit oft durch verschiedene Dinge symbolisiert, wie beispielsweise Totenschädel, abgebrannte Kerzen, verdorbene Früchte, Sanduhren, verwelkte Blumen oder den Schlüsseln zur Himmelspforte. Auch in der Literatur gab es das Vanitas-Motiv. Memento Mori ist eine Art Selbstreflexion, die den Blick auf die wichtigen und positiven Dinge des Lebens lenken soll, um es sinnvoll zu gestalten. Was die Prioritäten oder die Sinnhaftigkeit betreffen, so sind diese natürlich individuell. Der Schädel hat nichts Unheimliches an sich, er wird so zu etwas Natürlichem – was er ja auch ist. Der Tod hat nichts Abscheuliches, er ist „nur“ das Ende des Lebens. Angst machen nur das WIE und das WAS. Auch in anderen Kulturen gehört der Tod zum Leben dazu, wie beispielsweise in Mexiko. Da wird das „Fest der Toten“ zelebriert. Man kennt es vielleicht unter der spanischen Bezeichnung „Día de los Muertos“.
Auch in der Epoche der Romantik als Kunst- und Geistesbewegung – die eine Gegenbewegung zur Politik, Naturwissenschaft und Vernunft war – spielte der Tod eine große Rolle. Es war eine Realitätsflucht nach innen, mit Fokus auf Emotionen und Individualität. In Literatur, Musik und natürlich in der Kunst wendete man sich dem Rätselhaften, Dunklen und Unbekannten, dem Drang nach Unendlichkeit zu. Caspar David Friedrich ist einer der bekanntesten Maler der Epoche (1774-1840). An dieser Stelle möchte ich den Begriff der Schwarzen Romantik einwerfen. Schöpfer dieses Begriffes war der italienische Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler Mario Praz. Erst kürzlich konnte ich mir über sein (Standard-)Werk „Liebe, Tod und Teufel“ (erstmals 1930 erschienen) einen Überblick verschaffen. In dem Werk wird die „Nachtseite“ – die Dekadenz –untersucht. So beschreibt Praz das Genre als „Hingabe an die Natur und schwärmerische Liebe, die Wiederentdeckung des Mittelalters, des Volksliedes und des Märchens“ und weiter „ Die schwarze Romantik mit ihrer morbiden und makabren Szene der Todessehnsucht und der perversen Liebe, der lustvollen Grausamkeiten und empfindsamen Morde, mit ihrer Welt der Vampire und Faune, der Geister und Gespenster, der verdorbenen Priester und Nonnen, der femmes fatales und der amoralischen Übermenschen“. In keiner literarischen Epoche hat der Sexus mehr im Mittelpunkt gestanden. Namensgeber des Sadismus war der französische Autor Marquis de Sade. Gem. Praz, begeisterten sich Surrealisten für Sade. Er bezeichnete Sade als „die graue Eminenz der Romantik, ein Hausgeist […]. Denn er gab schließlich nur dem in jeden Menschen wohnenden Trieb seinen Namen – einem Trieb, der so geheimnisvoll ist wie die Kräfte des Lebens und des Todes selbst, mit denen er untrennbar verbunden ist.“
Vielleicht an dieser Stelle kurz ein kleiner Exkurs. Es gibt aktuell in der Literatur im Genre der Liebesromane die Strömung oder den Trend der Dark Romance-Bücher. Eventuell sind das Nachwehen der Bücher/Filme wie „(Fifty) Shades of Grey“ oder „Twilight - Biss zum Morgengrauen“. Was Freud wohl dazu sagen würde? Im Übrigen sind die Shades of Grey-Filme m. E. nach eher weichgespülter Konsumkitsch, der versucht Themen wie BDSM zu erklären. Wobei man dazu sagen sollte, dass viele Personen in der BDSM-Szene sich nicht in ihm wiederfinden. Grundsätzlich gilt besonders in dem Bereich natürlich, dass immer ein zwischenmenschlicher Konsens vorliegen muss. Es gibt selbstredend auch eine Schattenseite des Sadismus, nämlich dann, wenn er einseitig wird. Meiner Meinung nach sollte man nie die Gefahren von Sadismus oder Narzissmus unterschätzen, auch wenn sie in solchen Werken gerne verharmlost werden. Trendwelle hin oder her. Das nur mal am Rande.
Aber weiter im Kontext. Auch Goethes „Faust“ enthält Elemente der Romantik, wie die übersteigerte Sehnsucht und Hinwendung zum Übernatürlichen oder die Naturverbundenheit. Die Walpurgisnacht-Szene war im „Urfaust“ eine Orgie. Nicht nur Goethe benutzte den Begriff romantisch allerdings in einer eher befremdlichen Art. Er meinte „ Das Klassische nenne ich das Gesunde und das Romantische das Kranke“ als Störung des Gleichgewichts. „War es nicht schon immer das, was uns fasziniert, das Verbotene?“ Romantisch wurde im 17. Jh. im Zeitalter des Rationalismus gleichgesetzt mit: barock, dekadent, chimärenhaft, unnatürlich, bombastisch, märchenhaft, surreal. Einen Gegenpol sah auch Nietzsche. Er unterschied zwischen apollinisch und dionysisch. In dieser Zeit wurde allerdings romantisch auch mit „weibisch“ und „klassisch“ mit „männlich“ gleichgesetzt. Aber auch Sexismus soll hier nicht das Thema sein. Praz sieht die Romantik nicht als Gegenbewegung: „Ein Gegenpol zu romantisch besteht einfach deshalb nicht, weil romantisch nur eine bestimmte Gefühlslage bezeichnet, die von jeder anderen verschieden ist und weder durch Gleichsetzung noch durch Entgegensetzung vergleichbar wird.“. Im Verlauf wurde Romantik mit magisch, mystisch, suggestiv, sehnsüchtig gleichgesetzt. Es ging also um Gemütsbewegungen und Seelenzustände, um Wahnsinn und Ängste. Bekannt sind sicherlich Autoren wie Dante oder E.T.A. Hoffmann. Die schwarze Romantik, auch Schauerromantik oder Dunkle Romantik, kann aber nicht eindeutig von der Hauptströmung der Romantik abgegrenzt werden. Die Übergänge sind auch hier fließend. Die Themen in der Literatur greift natürlich auch die Kunst auf.
Berühmte zeitgenössische Maler, die düstere Lebensabschnitte verarbeitet und gemalt haben, sind beispielsweise der Niederländer Hieronymus Bosch (1450 – 1516) als Vertreten der Gotik. Weitere sind beispielsweise die Spanier Francisco Goya (1746 - 1828) und Salvador Dalí (1904 - 1989) oder der Schweizer Hans Rudolf (Ruedi) Giger. Da wir schon bei Giger, dem Künstler der Biomechanik, sind, möchte ich an dieser Stelle gern Wesen aufzählen, die in dieser Kunstkategorie zu nennen wären, welche ich selbst bereits in Kunstwerken „verkörpert“ habe, da wären beispielsweise Aliens, Cthulhu – als Figur des Schriftstellers H. P. Lovecraft oder auch Drachen, Cyborgs oder die Medusa. Darunter fallen natürlich sämtliche Fabelwesen, Tiergestalten und dunkle Kreaturen aus Sagen und Märchen, (Dark)Fantasy-, Horror-, Abenteuer- oder Science-Fiction-Filmen, -Büchern oder -Spielen, die „auf der dunklen Seite der Macht“ stehen. Die Liste ist lang. Dämonen, außerirdische Lebensformen oder andere dystopische oder beängstigende düstere Wesen sollten in uns eigentlich eher Beklommenheit oder Bangnis, zumindest aber eine gewisse Ehrfurcht oder Scheu auslösen.
Warum gibt es heutzutage so einen Rückzug zur Romantik? Viele Dichter und Denker der Romantik waren bereits der Meinung, dass sich Klassik und Romantik abwechselten – beides Extreme, die einander bedingten. Ich bin kein Kunsthistoriker oder Psychologe, aber ich versuche eine mögliche Antwort auf die Frage zu finden. In einer Zeit, die von Unruhen, politischen Umwälzungen, Kriegen und Katastrophen geprägt ist, hat sich der Mensch schon immer ins Private oder gar in Fantasiewelten zurückgezogen. Sinnsuche, die Suche nach dem eigenen Ich und die Naturverbundenheit in einer Zeit des Klimawandels, können eine Umkehr auslösen. Katastrophen hat es schon immer gegeben. Die Zeit der Romantik war auch von Umbrüchen geprägt, die Folgen der französischen Revolution trugen dazu bei. Die zunehmende Informations-Flut von Negativschlagzeilen und die Blasenbildung im Internet verstärken bzw. verzerren heutzutage das Bild. Ängste werden zusätzlich durch Falschmeldungen und KI-generierte Inhalte geschürt. Das Interesse wächst aber vielleicht auch gerade deshalb, weil es uns als Zivilgesellschaft bis jetzt relativ gut im Vergleich zu anderen Generationen oder auch anderen Ländern geht. Um ein Kunstwerk zu interpretieren, sollte man dieses immer im Kontext zur Epoche der Entstehung sehen. Aber in jedem Werk steckt auch ein Stück Künstlerseele. Und, wie auch Praz, bin ich der Ansicht, dass es nicht unbedingt eine Gegenbewegung ist, sondern eine, die schon immer da war und sein wird. Ich möchte daher gleich noch auf einen anderen Bereich eingehen, den der Emotionen, der Prägung und des Temperaments.
Und was fasziniert uns also an „dunkler Kunst“? Zunächst einmal, Dark Art beschränkt sich nicht auf ein einziges Medium. Stilistisch ist sie vertreten durch Zeichnungen, Fotografien, Malerei, über Digital Art bis zu Skulpturen und Installationen. Stilmittel sind meist schattige und gedämpfte Farben. Schwarz ist eine Hauptfarbe. Die gotische Architektur ist berühmt für große Fenster und hohe Räume, die dramatische Licht- und Schattenwirkungen zaubern. Kontraste können fesselnd wirken. In der „Gotischen Kunst“ gab es oft Darstellungen des „Jüngsten Gerichts“ und der Hölle. Als weiteren Teilbereich dieser Kunstrichtung gibt es beispielsweise Art Noir. Dieses Genre bezieht sich auf die geheimnisvolle, schattenhafte Ästhetik des Film Noir, eine Stilrichtung der schwarz-weiß Krimis und Gangsterfilme der 40er/50er Jahre – oft verregnet und mit zurückhaltender Beleuchtung. Aber auch Rot, welches für Intensität, Leidenschaft, Gefahr oder Geheimnis steht, oder Blau, was Tiefe, Vertrauen oder Melancholie vermittelt, gehören dazu. Menschen, die sich für dunkle Kunst interessieren, haben möglicherweise oft eine eher melancholische und introspektive Veranlagung. Daher, wie eingangs erwähnt, liegt es nahe, dass man meist eine ähnliche Grundstimmung der Werke eines Künstlers wahrnimmt. Ausdrucksstarke Werke haben oft eine besondere Ästhetik.
Das Geheimnis von Dark Art oder Schwarzer Romantik liegt in der Fähigkeit, sehr starke Emotionen hervorzurufen, die teilweise mit unseren Urängsten kollidieren, die tiefe introspektive Gedanken auslösen. Düstere, mysteriöse oder unheimliche Kunstwerke haben eine besondere fesselnde Aura. Es ist oft eine Mischung aus Trübsinn, Schwermut oder Traurigkeit und einer bizarren Schönheit, die eine Faszination auslöst. Es ist eine uns bekannte und vertraute Melancholie, ein Spiegel unseres selbst, unserer eigenen Urängste und geschaffenen Dämonen. Die Werke bieten uns eine Möglichkeit, die Komplexität der menschlichen Psyche zu verstehen. Sie geben Einblick in das Unterbewusstsein und zeigen ungelöste Konflikte auf. Warum mögen Menschen Horrorfilme? Nervenkitzel? Sie dienen als Ventil für die eigenen Ängste. Wir haben auch die Kontrolle und können jederzeit die Situation verlassen, den Fernseher abstellen. Es kann also auch irgendwie therapeutisch sein, sich mit Dark Art zu beschäftigen. Genau das ist meines Erachtens, der Punkt, warum sie so fasziniert. Von Angst, Trauer, Depressionen bis hin zu Kontemplation, also dem In-sich-Kehren und Verarbeiten. Je mehr man sich seinen Ängsten stellt und verarbeitet, desto glücklicher lebt man – hab ich mir sagen lassen. Ich habe mich als Künstlerin einer ganzen Serie mit dem Thema „Ängste des Menschen“ gewidmet. Der Drache steht dabei stellvertretend metaphorisch für diese. Arbeiten mit Tiefgang regen zum Nachdenken an. Gerade biomechanische Kunst kann beunruhigend auf Menschen wirken hinsichtlich Entfremdung, Entmenschlichung oder der Technologie mit dem Potenzial zu zerstören. Giger kombinierte beispielsweise in seinen Werken Mensch und Maschine so, dass die Darstellungen einerseits sinnlich aber andererseits auch grotesk waren. Er übte damit auch Kritik. Man hinterfragte diese Mensch-Maschine. Bei Biomechanical Art geht es daher auch um die Auseinandersetzung mit Ethik, KI, und letzten Endes dem Kontrollverlust, dem Verlust der Menschlichkeit. Viele Künstler, wie auch ich, üben Sozial- und Gesellschaftskritik und verarbeiten ihre Gedanken, wie beispielsweise Bedrohungen der Existenz (Klimawandel, Kriege, Krankheit, Dystopien) oder auch Natur- und Umweltschutz (mangelndes Tierwohl) in ihren Werken. Oft geht es auch um philosophische Themen und tiefgründige Fragen zur Existenz, zum Sinn des Lebens. Auch diese Gedanken können zu einem besseren Verständnis von sich selbst führen. Es gibt im Übrigen viele "neu" entstandene Strömungen in der Literatur, in der Kunst oder auch im Film – den Magischen Realismus beispielsweise. Er entstand etwa in den 1920er Jahren. Auch hier haben wir eine Verfremdung der Wirklichkeit und eine reiche Symbolik. Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Der Magische Realismus spricht – im Unterschied zum Fantasygenre – auch politische oder soziale Themen an.
Letztlich sprechen dunkle Werke auch das Dunkle in uns selbst an. Sie bieten ein Ventil, um auch negative Emotionen, wie Wut und Aggressionen beispielsweise, rauszulassen, Traumata zu verarbeiten. Manche nennen es auch Katharsis. Ich wurde schon des Öfteren gefragt, ob ich nicht in einer Welt von Angst leben oder mich vor meinen eigenen Bildern gruseln würde. Nein! Im Gegenteil, meine Arbeiten sind ein Teil von mir und dieser Teil gehört zu dem Temperament, welches ich gewohnt bin. Ich fühle mich in dieser Melancholie geborgen und möchte sie auch nicht missen. Ich bin zwar ein Pessimist, aber eigentlich auch ein lebensbejahender Mensch. Natürlich spielt auch das Umfeld eine große Rolle. Oder der Einfluss von Musik, Literatur oder Theater/Filme. Dark Art – oder Schwarze Romantik – ist m. E. nach auch eine Lebenseinstellung, die nicht zwingend negativ ist, mit emotionalen Tiefen, mit manchmal kritischer Haltung gegenüber der Gesellschaft. Ich zitiere gern wieder am Ende dieses kleinen Beitrages mein Vorbild H.R. Giger, da er mir damit aus der Seele spricht:
„Es stimmt nicht, dass ich dem Düsteren besonders nahe stehe. Die Bilder kommen einfach. Ich liebe die schönen Seiten des Lebens und ich habe gern Humor. Es ist ja so, dass der Mensch sowohl helle wie auch dunkle Seiten hat, sie bilden eine Polarität und gehören zusammen.“
Ich freu mich auf facettenreiche „dunkle Kunst“ und werde euch zukünftig gern, in Form von Interviews, einen tieferen Einblick in die Welt dieser Künstler geben. Gern möchte ich dazu beitragen, dass Subkulturen Verständnis und Chancen bekommen. Wissen ist der Schlüssel gegen die Angst vor dem Unbekannten.
eure Dani von Dark Art
P.S. Vielleicht demnächst auch als Podcast. ;)
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